Hi. Ich bin Lark und ein Teil der Gruppe Pride Greifswald. Das heutige politische Klima ist für mich schwer in Worte zu fassen. Wir leben in einer Zeit, in der jeder Mensch gewollt und ungewollt täglich mit vielen unterschiedlichen wichtigen Nachrichten überrollt werden. Wir leben in einer Zeit, in der es so vieles anzusprechen gibt und doch zu wenig Raum dafür gibt. Es fällt schwer, den Fokus zu behalten, es fällt schwer zusammenzufassen, welche Dinge noch vor uns liegen. Welche Dinge sich noch ändern müssen. Wir leben in einer Zeit voller Bedrohungen. Der immer stärker werdende Faschismus betrifft nicht nur die USA oder Deutschland oder Europa. Er ist allgegenwärtig und bedroht nicht nur uns als queere Menschen auf direkte Art und Weise.
Es ist erst Juni und doch fühle ich mich so, als wären seit Januar mehrere Jahre vergangen. Es ist 2025 und doch fühlt es sich an, als würden wir immer mehr in eine Vergangenheit abrutschen. Menschenfeindliche Aussagen werden relativiert, wir bewegen uns in Euphemismen. Daher habe ich im Folgenden einige ungeschönte Worte zu sagen. Wir haben einen Höchstand an politisch motivierter Kriminalität im letzten Jahr gehabt, sagt das Innenministerium. Die rechtsextremen Taten sind dabei um knapp 48% gestiegen. Immer mehr Angriffe auf queere Menschen und queere Veranstaltungen sind zu vermelden. Vor einigen Jahren habe ich noch nicht oft darüber nachgedacht, wie sicher eine queere Veranstaltung ist, auf die ich gehe. Heute fahren wir lieber in Gruppen zusammen und packen unsere Flaggen lieber erst auf der Demo selbst aus. Wir sind vielleicht immer noch mehr, und doch sind wir wie Kanarienvögel im Bergwerk. Unsere Sicherheit als queere Personen, als marginalisierte Personen, auch als mehrfach marginalisierte Personen, sind der Indikator dafür, dass sich Dinge ändern müssen. Ist diese bedroht oder sogar nicht mehr zu gewährleisten, ist es nur der Anfang von mehr Hass und noch mehr Gewalt.
Es ist wichtig, dass wir solidarisch handeln. Dass wir uns unsere Marginalisierungen und Privilegien bewusst sind und auch den Erfahrungen mehrfach marginalisierter Personen und anders marginalisierter Personen zuhören. Die Welt brennt. Geflüchtete kämpfen um ihre Leben, Migrierte kämpfen gegen Deportationen, Kriege, Genozide und die Zerstörung der Umwelt schreiten weiter voran, während faschistische Bewegungen auch weiterhin die Menschenrechte derer bedrohen, die nicht cis, hetero, able-bodied und männlich sind.
Doch das darf uns nicht davon abhalten, das Richtige zu tun. Es darf uns nicht davon abhalten, weiterhin Mitgefühl zu zeigen, Mut zu haben für einander einzustehen. Wir dürfen nicht verstumpfen, nicht erstarren. Wir dürfen nicht zulassen, dass es normal wird, Angst zu haben und dass es normal wird, Hassreden über einander zu hören. Und ich weiß, wie einfach es ist, zu verstumpfen. Zu erstarren und Angst zu haben. Es ist unbequem, sich auf solche Gefühle einzulassen. Aber ihr seid nicht allein. Wir sind nicht allein. Es ist ein Anfang,für die queere Community aufzustehen. Es ist ein wichtiger Anfang, doch hört dort nicht auf. Unterstützt nicht nur die Bewegungen, die eure eigenen Rechte schützen, sondern unterstützt die Rechte anderer marginalisierter und mehrfach marginalisierter Gruppen.
Nehmt euch die Zeit, die ihr braucht, nehmt euch die Geduld, mindestens mal zuzuhören und andere Perspektiven vielleicht zu teilen. Seid geduldig gegenüber euch selbst und macht auch euch nicht kaputt. Menschenrechte aller zu verteidigen ist kein Sprint, es ist ein Marathon. Und doch unendlich wichtig. Es braucht mehrere Ansätze für mehrere Schwerpunkte. Es braucht unterschiedliche Formen von Support und Aktivismus und viel eigene Reflexion und Handlungen.
Ein Zitat, das oft der Aktivistin Marsha P. Johnson zugeschrieben wird besagt: „No Pride for some of us, Without liberation for all of us!“ Übersetzt also: „Keine Pride für einige von uns, ohne die Befreiung von allen von uns.“
Wenn ihr auf die Straße geht und für unsere Rechte kämpft, denkt daran, dass ihr wirklich für unser aller Rechte kämpft. Wir kämpfen für die Rechte von schwulen, lesbischen, bisexuellen, trans*, queeren, asexuellen, romantischen Menschen. Wir kämpfen für Menschenrechte. Wir sind hier, wir atmen, wir sind sichtbar. Das ist ein guter Schritt. Als queere Person zu existieren ist politisch. Also lebt, kämpft, atmet, feiert. Bleibt menschlich.
Danke an euch alle, die mir bei diesem etwas deprimirendem Beitrag zugehört haben. Ich schätze es sehr, euch alle zu sehen. Ich schätze auch die Möglichkeit, hier reden zu dürfen und bedanke mich im Namen von Pride Greifswald für die Zeit und Organisation.
Unsere Gruppe organisiert seit 2021 jährlich eine alternative und antikapitalistische Pride-Demonstration. Oft wird unsere Pride mit dem CSD verwechselt, was durch den heutigen Pride-Begriff verständlich ist. Beide Veranstaltungen sind wichtig und wertvoll. Sie zeigen unterschiedliche Ansätze und Schwerpunkte im Kampf für unsere Menschenrechte und gegen den Faschismus.
Unser Schwerpunkt ist dabei, wie erwähnt, eine antikapitalistische Demo, bei der wir ohne Parteien und kommerzielle Unternehmen auf die Straße gehen. Uns ist dabei auch Intersektionalität und Awareness wichtig, als auch die Demo möglichst barrierearm zu gestalten. Unsere Pride wird dieses Jahr am 12. Oktober in Greifswald stattfinden. Mehr Informationen findet ihr auf unseren Instagram-Account pride.greifswald und auf unserer Webseite. Wir würden uns sehr freuen, euch auch am 12. Oktober zu sehen. Denn auch nach dem Pride Month geht unser Kampf weiter.